BLACKBOX KI

DO 09 03 2023 18:00 Uhr

Ein Round Table Gespräch mit Wissenschafter:innen und Künstler:innen zum Thema Künstliche Intelligenz und ihrer Auswirkung auf die künstlerische Produktion und der Frage nach Verantwortung

Öffnen wir die Büchse der Pandora, aber schließen wir sie nicht, bevor die Hoffnung auf Veränderung aus ihr entweicht. KI Programme finden immer mehr Anwendung in der Kunstproduktion und in gesellschaftlich relevanten Entscheidungsfindungen. Doch wer kann in den Algorithmus hineinsehen, wer ist fähig die Parameter nach eigenen Vorstellungen zu verändern, die richtige Gewichtung vorzunehmen, die für eine KI nötigen Datensätze zu erstellen und somit in der Auswahl dieser bereits essentielle Vorentscheidungen zu treffen? Und wer übernimmt für die von einer KI getroffenen Entscheidung die Verantwortung?

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der FH St. Pölten


Home of the Brain: Die Pioniere der Künstlichen Intelligenz und der digitalen Kultur
von Monika Fleischmann

Home of the Brain (1989-1991) ist ein Virtual-Reality-Projekt, das die Arbeit der Pioniere der künstlichen Intelligenz und der digitalen Kultur vorstellt. Es präsentiert die gegensätzlichen und sich ergänzenden Theorien von Marvin Minsky, Joseph Weizenbaum, Vilém Flusser und Paul Virilio, die aufgrund ihrer Beiträge zum Diskurs über KI, Mensch-Maschine-Interaktion, Netzkultur und die Auswirkungen von Technologie auf die Gesellschaft ausgewählt wurden. Die virtuelle Umgebung ermöglicht es dem Publikum, in die Gedanken der Philosophen einzutauchen, wobei die geschriebenen Worte ein interaktives Echtzeit-Szenario bilden. Das Projekt zielt darauf ab, das neue Medium zu reflektieren und den medialen Diskurs als philosophische Debatte zu inszenieren. In Kürze wird Home of the Brain als audiovisuelle Augmented Reality Version mit VoiceGPT für die Neue Nationalgalerie in Berlin reproduziert, wobei Interviews mit den vier Pionieren eingespielt werden, um die Relevanz ihrer Ideen und des digitalen Datenraums aufzuzeigen.

Machine Learning und künstlerische Forschung und Produktion
von Reni Hofmüller

Reni Hofmüller stellt das 2018 gemeinsam mit Martin Rumori im Rahmen der mur.at Ausstellung sensu lato mit damals aktueller Machine-Learing Software generierte Klangexperiment Sprache / Feldaufnahmen* vor und skizziert anhand dieser Arbeit Möglichkeiten, systemimmanente Begrenztheiten und Kritik an einer blinden Euphorie von Machine Learning Software und deren Einsatz in praktisch allen Lebensbereichen. *Sprache / Feldaufnahmen: Reni Hofmüller & Martin Rumori, in: Sensu lato, mur.at 2018
mur.at/project/sensu-lato

The Next Biennial Should Be Curated by a Machine
von lixvlx/UBERMORGEN

stellt die Zukunft des Kuratierens im Lichte der künstlichen Intelligenz als selbstlernendes Mensch-Maschine-System neu vor. Dieses Projekt, das in Zusammenarbeit zwischen den Künstlern UBERMORGEN, dem digitalen Humanisten Leonardo Impett und der Kuratorin Joasia Krysa entwickelt wurde, zeigt eine Gruppe technischer maschineller Lernprozesse mit dem gemeinsamen Namen B3 (NSCAM).
whitney.org/exhibitions/the-next-biennial

OUR GHOSTS IN THE SHELL
von Patrik Lechner

Wir haben eine sound basierte KI (SampleRNN) auf Aufnahmen eines Ensembles (NAMES Ensamble) trainiert um quasi den Klang des Ensembles zu destillieren. Weiters haben wir den Prozess des Trainings Hörbar gemacht, von Krach bis hin zu überzeugenden Aufnahmen. Zusätzlich haben die InterpretInnen des Ensembles das generierte wieder interpretiert/kontextualisiert. Dadurch sind 3 Stücke/Aufführungen entstanden.

Weitere KI Basierte Arbeit: “Orbitoclast”/Mutek Festival Montreal visualisierungen. Mehrere Aufführungen einer KI basierten Visualisierungsmaschine die es mir erlaubt in Echtzeit die inneren Vorgänge eines Netzwerkes, das zur Bildklassifikation gedacht war, zu verbildlichen.
names-ensemble.com/our-ghosts-in-the-shell

Performing Utopia
von Norbert Math

Im Projekt Performing Utopia haben wir Text, Musik und Bilder mit Hilfe von Machine Learning erzeugt. Utopische Texte aus 4 Epochen wurden jeweils als Material zum Trainieren der KI benutzt, um diese Utopien ironisch zu “verbessern”. Somit wird KI zugleich Medium und Thema des Projektes: Indem wir sehr allseits bekannte Texte wie Mary Shelley’s Roman “Frankenstein” der KI zum Training gaben versuchen wir offenzulegen, wie die KI mit dem Material verfährt. Ziel ist nicht eine perfekte Imitation menschlicher Kreativität sondern ein sinnlicher Zugang zu inneren Prozessen der KI.
alien.mur.at/performing-utopia

Tassilo Pellegrini

Eine Simulationsapparatur für den infiniten Regress Durch Open AI’s Anwendung ChatGPT sind aktuell generative Technologien in aller Munde. Insbesondere die Textverarbeitung mittels generativer Algorithmen führt uns anschaulich vor Augen, welche Potenziale und Gefahren in künstlich generierten Textartefakten steckt. Chancen ergeben sich durch hohe Effizienzgewinne in der Textproduktion, wo der Computer Vorschläge mit teilweise beeindruckender Qualität unterbreitet, was sowohl die Erledigung von Routineaufgaben erleichtert aber auch für Zwecke des Creative und Scientific Writing eingesetzt wird. Herausforderungen ergeben sich durch faktisch falsche, aber formal korrekte Aussagen bis hin zur irreführenden Simulation von Quellenangaben und absurd surrealen Sinnzusammenhängen, die für bare Münze genommen mehr Schaden als Nutzen stiften.

Chancen und Risiken von KI sind hierbei in einem Spannungsfeld zu sehen, das Jean Baudrillard als Simulacrum bezeichnet hat, d.h. als eine mangelhafte und in Folge irreführende Simulation des Wesenhaften, deren Apparatur durch iterativen Selbstbezug jene Zusammenhänge reproduziert, verstärkt und verfestigt, die der aufgeklärte Mensch durch Abstraktion, Reflexion und Erkenntnis zu transzendieren trachtet. Generative Technologien sind damit affirmative bzw. konservierende Technologien. Sie simulieren Erkenntnis durch Reproduzieren und Versionieren den Status Quo, doch sie gehen nicht darüber hinaus, da die KI weder zu Abstraktion noch Reflexion in der Lage ist und mit aktuellen Ansätzen auch niemals sein wird. Kurz: Generative Technologien halluzinieren.

Scribe ID AI
von Markus Seidl

Monastische Schriftlichkeit im hochmittelalterlichen Österreich Niederösterreichs Klöster verfügen über umfangreiche Sammlungen mittelalterlicher Handschriften. Durch ein umfassenderes Wissen über die Schreiber wird ein besseres Verständnis der monastischen Schriftlichkeit im hochmittelalterlichen Österreich möglich. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, wie viele Schreiber in einem Kloster tätig waren und ob diese zwischen Klöstern wechselten. Eine Möglichkeit, diese Faktoren zu bestimmen, besteht darin, die Schreibweisen zu analysieren und verschiedene Schreiber durch inhärente stilistische Merkmale ihrer Schriften zu identifizieren. Dies ermöglicht in weiterer Folge, die Aufenthaltsorte der Schreiber und die Organisation der Schreibsäle abzuleiten.

Einsatz von Active Machine Learning zur Schreibstilanalys Die klassische Vorgangsweise der manuellen Schreibstilanalyse erfolgt durch einzelne Expert*innen und ist ein langwieriger und zeitaufwendiger Prozess. Zudem besteht die Gefahr, dass die Ergebnisse subjektiv durch individuelle Eindrücke beeinflusst werden. Es gibt erste Ansätze, die Handschriften mittelalterlicher Schreiber durch maschinelles Lernen zu identifizieren. Diese sind jedoch für große Korpora nicht verwendbar. Die größte Herausforderung ist das Fehlen einer umfassenden Grundreferenz (Ground Truth)
research.fhstp.ac.at/projekte/scribe-id-ai
3d-pitoti.eu/en/project

Djordje Slijepčević

Der Forschungsschwerpunkt von Djordje liegt im Bereich des maschinellen Lernens und der Mustererkennung und umfasst die Analyse verschiedener Modalitäten wie Bilder, Zeitreihendaten, strukturierte Daten, sowie die Kombination dieser unterschiedlicher Datenmodalitäten in einem multimodalen Ansatz. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der klinischen Ganganalyse (Zeitreihendaten), für die er neue KI-Methoden entwickelt, die pathologische Gangmuster automatisch erkennen und somit als Diagnosehilfe für Kliniker eingesetzt werden können. Insbesondere entwickelt er Methoden, um diese KI erklärbar zu machen und damit die Entscheidungen dieser komplexen Blackbox-Modelle für Kliniker verständlicher zu machen. Auch Audio sind Zeitreihendaten, und somit sind die Methoden, an denen Djordje forscht prinzipiell auch für Audiodaten einsetzbar.

Darüber hinaus hat er an Konsortien für Anträge bei europäischen Horizon-Projekten mitgewirkt. Diese Anträge hatten zum Ziel datengetriebene Ansätze zu entwickeln, um Biomarker für Krankheiten wie COPD aus Husten oder Veränderungen im Sprachbild bei Parkinson-Erkrankungen zu identifizieren.

Insgesamt zielt die Forschung von Djordje darauf ab, durch den Einsatz von Methoden des maschinellen Lernens und der Mustererkennung in verschiedenen Datenmodalitäten klinische Entscheidungen zu unterstützen. Dabei soll insbesondere die Verständlichkeit und Erklärbarkeit von KI-Modellen erhöht werden, um deren Nutzen in der medizinischen Praxis zu steigern.
ipa-reader.xyz

Marlies Temper

Marlies Temper spricht über die Begriffe KI, Machine Learning insbesondere Deep Learning und Reinforcement Learning. Zusätzlich was schwache, starke Intelligenz und Superintelligenz bedeutet und wo man ChatGPT einordnen kann.

Sie hat Medizinische Informatik und Informatikmanagement an der Technischen Universität Wien studiert. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin ist sie viele Jahre tätig gewesen und hat an diversen Projekten im Bereich Security und Analytics mitgearbeitet. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich KI und ML. 2018 übernahm Sie als Studiengangsleiterin den Bachelorstudiengang Data Science & Business Analytics und 2021 den Masterstudiengang Data Intelligence. Als Vortragende und Reviewerin bei unterschiedlichen Konferenzen kann sie sowohl Forschung als auch Lehre gut miteinander verknüpfen. Marlies Temper ist auch seit 2020 DIO-Vorstandsmitglied und LinkedIn Learning Trainerin.

Ein KI System ist ein digitales Werkzeug.
von Rania Wazir

Vom Entwurf bis zur Entsorgung wird es von menschlichen Entscheidungen geprägt. Welche Anwendungen entwickelt werden, welche Funktionalitäten das KI System haben soll, wie oder was klassifiziert wird; woher die Trainingsdaten kommen, worauf optimiert wird – das sind alles Entscheidungen, die von Menschen getroffen werden. Auch der Beschluss, sich dem Aufbau von Systemen zu widmen, die in der Entwicklung und im Betrieb Unmengen an Ressoursen verschlingen; oder die Wahl zwischen einer leicht verständlichen, erklärbaren Methode, oder einem komplexen, schwer durchdringbarem Modell – die Entscheidung liegt immer bei uns. Wenn ein KI System dann zum Einsatz kommt, agiert es nicht in einem Vakuum – die Inputs, die wir eingeben, gestalten das System; das System wiederum beeinflusst seine Umgebung, und wirkt sich auf uns und unsere Umwelt aus. Inwieweit wir das ohne Hinterfragung zulassen, ist unsere Wahl. Ein verantwortungsvoller Umgang mit KI Systemen ist nicht nur eine technische Frage, sondern auch eine soziale. Blackbox KI? Nur, weil wir es zulassen.