ALS DAS NETZ NOCH JUNG WAR: UND DIE ZUKUNFT?



In den frühen 90er Jahren, anknüpfend an Vorläufer wie Mailart, inspirierte ein neuer Kommunikationsraum – das www – Künstler:innen Utopien für eine im Netz stattfindende Kunst zu entwickeln. Dieser Raum war unerforscht und offen und bot somit optimale Bedingungen für Experimente. Rund um das Ö1 Kunstradio und deren Protagonist:innen Heidi Grundmann und Robert Adrian X, oder der Künstler:innengruppe HILUS entstand in Österreich eine sehr aktive Szene. Die Durchkommerzialisierung dieses einst so unbesetzten Raums haben die frühen Utopien in den Hintergrund gedrängt. Holen wir diese Utopien wieder hervor und katapultieren sie ins 3. Jahrtausend. Dabei stellen sich aber auch grundsätzliche Fragen zur Netzpolitik und ihrer Auswirkung auf die Gesellschaft. Erinnern wir uns an die anfänglichen Utopien, analysieren wir den Status Quo und spinnen wir weiter!

Do 26 01 2023 19:00 Uhr
Pionier:innen
Lecture Performances, Vorträge mit Seppo Gründler / Mike Hentz / Eva Ursprung, Helen Varley Jamieson, Vicki Smith und Renate Kreil
Screening der IMAficiton portraits von Heidi Grundmann und Rebekah Wilson
in Kooperation mit ACOnet (ist das österreichische Hochleistungs-Datennetz für gemeinnützige Einrichtungen der Wissenschaft, Forschung, Bildung, Kunst und Kultur.)

Lecture Performances, Vorträge

Von Razionalnik zu RGB und The Internet of Things
von Seppo Gründler


Foto Razionalik/Diagramm (co Josef Klammer)

Vom weltweit ersten internationalen Netzkonzert Razionalnik (1987) zum transnational synchronisierten Konzert RGB (1997) des Klammer und Gründler Duo und weiter.

Bevor das Internet noch nicht allgemein zugänglich war, waren BBS (Bulletin Board Systeme) wie das Fidonet oder Zerberus die Kommunikatiossysteme der Wahl, um über ein Netzwerk digital zu kommunizieren. Auf Basis der dabei verwendeten Techologie von MODEMs (Modulator-Demodulator - danit konnten Daten digital über analoges Telefonnetz übertragen werden) entwickelten Seppo Gründler und Josef Klammer 1987 das erste internnationale Netzkonzert. Dieser Beginn und die weitere Enwicklung von verwandten Konzerten oder Audio-Perfromances stehen im Zentruim des Vortrags. Bewußt werden die letzte Entwicklung wie Zoom Sessions und ähnliches ausgeklammert. Im Zentrum steht die Zeit in der die Bruchlinien, die durch die Verwendung dieser Technologien auftraten, noch sichtbar waren, und die Künstler:innen nicht nur praktische sondern auch aesthetische und politische Gründe sahen, das Netz zu nutzen.

Van Gogh TV Vor und Nachläufer
von Mike Hentz

Van Gogh TV Künstlergruppe.
Historische Positionierung der Projekte.
Die ursprünglichen Ansätze und die Ziele.
Von Videokunst, Dokumentation zu Medienkunst.
Frühe Praxisnetzwerke, unabhängige Produktionen,
und parallele Verbreitung,
wie Infermental, Frigo, Ponton, Universcity TV und andere Medienprojekte von Ende der 70er Jahre bis in die Ära des Internets Mitte der 90er Jahre.

aaron‘ law - eine Projektreihe und Hommage an Aaaron Swartz
von Renate Kreil


Foto SAGE ROSS

Aaron Swartz war ein amerikanischen Computer-Programmierer, Autor, politischer Organisator, Hacktivist und Internet-Aktivist für den freien und offenen Zugang zu Wissen. (* 8. November 1986 in Chicago; † 11. Jänner 2013 in New York City)

Er arbeitete u.a. mit Tim Berners-Lee an der Standardisierung von Technologien im WWW; er war technischer Leiter der Open Library und an der technischen Entwicklung der Creative Commons beteiligt. 2023 jährt sich der Todestag von Aaron zum 10. Mal – er wäre jetzt 36 Jahre alt. Was verbindet die Projektteilnehmer*innen? Themen wie Creative Commons, Open Source Technologies, Open Access to Knowledge und Ethics in Technology und welchen Einfluss diese auf netzbasierte Kunstproduktion haben.
Der Titel „aarons law“ bezieht sich eigentlich auf einen Gesetzentwurf, der 2013 nach seinem Tod in den US-Kongress eingebracht wurde. Wir möchten mit dem Titel vor allem den Spirit von Aaron, seine Unbedingtheit und Neugierde vermitteln, die sich wie Gesetzmäßigkeiten durch sein Leben gezogen haben und seine technischen Entwicklungen stark beeinflusst haben.

wikipedia.org/Aaron_Swartz
netart.cc/aarons-law

Cyberformance auf UpStage
von Vicki Smith, Eva Ursprung, Helen Varley Jamieson



Im Jahr 2001 trafen sich vier Frauen im Cyberspace und gründeten die weltweit verstreute Cyberformance-Gruppe Avatar Body Collision. Frustriert von den Beschränkungen der Software, die für andere Zwecke entwickelt wurde, begannen sie, eine Anwendung für die spezifischen Anforderungen von Künstler:innen zu konzipieren. Das Ergebnis ist UpStage: browserbasiert, open source, plattformübergreifend, für das Publikum leicht zugänglich und einfach zu bedienen.

Die Plattform wurde erstmals 2003 in Aotearoa, Neuseeland, entwickelt und hat seither zahlreiche Online-Festivals, Aufführungen und Veranstaltungen beherbergt. Ab 2021 wurde sie überarbeitet und auf den neuesten Stand der Internet- und Mobiltechnologien gebracht.

Der Vortrag/die Performance ist eine Zeitreise von den Anfängen bis zum geplanten Raumflug, um gegen den Bergbau auf dem Mond zu demonstrieren.

Performance/Lecture live online:
upstage.live/digidic
www.upstage.org.nz


FR 27 01 2023 10:00 Uhr - 19:00 Uhr
Symposium zur Geschichte und Zukunft des Netzes
mit Roland Alton / August Black / Aileen Derieg / Seppo Gründler / Mike Hentz / Jogi Hofmüller / Dieter Kovačič / Renate Kreil / Philip Leitner / Daniel Lohninger / Christoph Nebel / Christian Panigl / Rena Tangens / Herbert Waloschek / Rebekah Wilson / Elisabeth Zimmermann / Klaudia Zotzmann-Koch u.a.

Symposium zur Geschichte und Zukunft des Netzes

Wie gestaltet fairkom die Zukunft des Netzes mit?
von Roland Alton



Die IT Landschaft ist vielfältiger als #GAFAM. Die fairkom Gesellschaft ist eine der wenigen, die ein breites Serviceportfolio nicht nur Unternehmen und der Verwaltung, sondern auch Vereinen und Privaten anbietet. Dazu zählen faircloud, fairchat, fairmeeting, fairteaching, fairsuch, fairmailing oder fair.tube – alle über das fairapps.net Portal erreichbar und mit einem gemeinsamen fairlogin Konto nutzbar. fairkom Anwendungen werden ausschließlich auf Servern und einem eigenen Kubernetes Cluster innerhalb der EU betrieben und sind somit DSGVO konform. Alle Anwendungen basieren auf bewährten Open Source Frameworks, werden einheitlich bezeichnet und Verbesserungen werden an die Community zurückgegeben. fairkom Dienste arbeiten datensparsam, es werden keine Cookies für Webtracking gesetzt. Die Nutzung der meisten fairkom Anwendungen erfolgt nach dem fair-use Prinzip. fairkom beschäftigt acht Mitarbeiter:innen in Vorarlberg und ein Netzwerk externer Spezialist:innen. Sämtliche Gewinne werden in Open Source Entwicklung oder Commons Projekte investiert. Mit fairmove.net wurde Ende 2022 nun auch eine leistungsfähige Mastodon Instanz an den Start gebracht, das mit der Videoplattform fair.tube Teil des Fediverse ist und eine echte Alternative zu Twitter, Youtube & Co bietet.

10 Punkte für ein Zukünftiges Web
von August Black

Von meiner persönlichen und künstlerischen Arbeit im Bereich Web Software Entwicklung, aber auch von praktischer und theoretischer Forschung in alternativen Web-Infrastrukturen, werde ich versuchen, ungefähr zehn Aussagen hervorzuheben, um ein Gespräch über das Web zu animieren. In Frage steht, wo das Web geboren ist, wo seine Entwicklung hingeht, und wie wir unsere jetzigen Energien platzieren sollen, um ein elegantes zukünftiges Netzwerk bauen zu können.

Wenn deine E-Mail-Adresse älter ist als du
von Aileen Derieg


servus ist eine Kunst- und Kulturinitiative, die 1996 als Community-Server begann. Wer eine servus.at-E-Mail-Adresse hat und nach 1997 geboren wurde, ist jünger als die eigene E-Mail-Adresse. Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Menschen verschiedener Generationen, die ganz unterschiedliche Dinge für selbstverständlich halten? Wie können wir Wissen und Fähigkeiten austauschen oder uns gar gegenseitig ernst nehmen, wenn unsere Ausgangspunkte so unterschiedlich sind? Wie erklärt jemand, der sich an die Zeit erinnert, als E-Mail noch neu war, jemandem, der sie für eine veraltete Technologie hält, und andersherum? Diese Fragen gelten nicht nur für E-Mail, sondern auch für viele andere Arten der Internetnutzung und sogar für Hardware und Kabel. Muss man die Geschichte des Internets kennen, um seine Zukunft zu gestalten? Kann man sich überhaupt eine Zukunft vorstellen, wenn man Teil der Geschichte des Internets war?

Wenn das Netz verschwindet
von Seppo Gründler


Foto netz_verschwindet (co Musikprotokoll)

Technologische Systeme und Produtke haben oft die Angewohnheit, sich von einer auffallenden Neuigkeit und Besonderheit mit noch klar sichtbaren und dsikutierten Folgen für soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge über eine alltägliche Verwendung hin zu einem für Normalbürger:innenn unsichtbarem, jedoch im Alltag unverzichtbarem, Mittel zu entwickeln. Damit gehen oft Prozesse der meist privanten Aneignung und der Entzug demokratischer Kontrolle eingher. Ausgehend von einer kurzen Rückschau auf die Entwicklung unserer technischen Kommunikationsmittel betrachten wir die aktuelle Entwicklung im Besonderen im Bereich elektronischer, digitaler Kommunikation, im speziellen des Internet und verwandter Systeme.

Vom IndividualKuenstler zum Netz und …
von Mike Hentz

Die Entwicklung künstlerischer Forschung im Laufe der Jahre und mögliche Prototypen für die Zukunft.
Verantwortung für die zukünftige Kunst als Kulturforschung.
Identitäten im Globalismus und die privaten und öffentlichen Labors und Think Tanks.
Zu wem gehören wir ?

Ein Plädoyer für die Kleinteiligkeit
von Jogi Hofmüller

Wir nehmen es als beinahe selbstverständlich an, dass multinationale Megakonzerne die Spielregeln im Internet bestimmen und sich als einzig heilsbringende Alternativen präsentieren. Das muss nicht sein, das war nicht immer so und das Internet ist eigentlich ganz anders verfasst.

GAFAM - Google Amazon Facebook Apple Microsoft - oder aktueller GAMAM, nachdem Facebook jetzt Meta heißt bezeichnet die big five im Internet Business. Politisch Aktive Hacker*innen proklamieren seit vielen Jahren das GAFAM-freie Internet und bauen Tools der big five als freie Software nach. Mit dem Fediverse und seinem bekanntesten Bestandteil namens Mastodon tauchte vor einigen Jahren ein neues/altes Verständnis von Internet auf. Föderation ist das Stichwort, und neu ist es nur bedingt, denn das seit Jahren totgesagte Email-System ist eines der besten Beispiele für ein föderiertes System.

Symposiumsbeitrag von Dieter Kovačič



Dieter Kovačič brachte in den ersten Tagen des Jahres 2000 klingt.org ans Netz. Als kollaborative Online-Musikinstallation im Umfeld des Wiener Kulturproviders Public Netbase gestartet, entwickelte sich der Server schnell zu einer Plattform abseits ausgetrampelter Pfade für die elektronische Musikszene Wiens und darüber hinaus.

Seither hat sich nicht nur die Gesellschaft, sondern mit ihr auch das Internet rasant verändert. Oder umgekehrt: Seither hat sich nicht nur das Internet, sondern mit ihm auch die Gesellschaft rasant verändert. Die vernetzte digitale Kommunikation ist und war immer Teil des Problems wie der gesuchten Lösung gleichermaßen. Künstlerische Aktivitäten in diesem Kontext müssen laufend neu gedacht werden um mehr als nur Ornament zu sein bzw. die Chance auf gesellschaftliche Relevanz zu haben.

Dieter Kovačič reflektiert und assoziiert in seinem Symposiumsbeitrag über die Möglichkeiten und Auswirkungen des Zusammenspiels aus künstlerischem und technischem Tun.

who is who
von Philip Leitner

als wir die ip’s noch auswendig wussten
das domain name system als zentrale
informationsquelle, alternative DNS root servers
und wie durch Filter Tracking und Werbung
vermieden werden kann

Aus der Praxis der Arbeit für Grund und- Menschenrechte im digitalen Bereich
von Daniel Lohninger

Technik verändert unsere Gesellschaft. Bestehende Machtgefüge und Lebensrealitäten werden neu geordnet. Die Menschheit befindet sich Mitten in der Digitalisierung; Alles wird digital vermessen, gespeichert, analysiert und ausgearbeitet. Die stetige Veränderung und Optimierung unserer Gesellschaft wirft mittlerweile die Machtfrage auf, inwieweit wir die Technik noch für unsere Zwecke nutzen oder ob wir durch die Technik nicht schon bestimmt werden.

Der ständige Diskurs zwischen Machthabern und Volk um Sicherheit und Freiheit, Demokratie und Bürger:innenrechte ist im digitalen Raum angekommen. Internet, soziale Medien und digitale Informationen beeinflussen unser Leben mehr denn je, weshalb Bürger:innenrechte auch in digitalen Belangen beachtet werden müssen. Staaten, Unternehmen und Organisationen nutzen die unzureichende und unübersichtliche Gesetzgebung in digitalen Belangen teilweise aus, womit die Bürger*innen ihrer Rechte zusehends beraubt werden. Es sind Rechte, die in einer Demokratie als selbstverständlich gesehen werden, aber innerhalb der digitalen Welt wenig bis gar keinen Platz gefunden haben.

epicenter.works dient als Zentrum einer stetigen Bewegung, die dort ist, wo Veränderung passiert und ihre Wellen nach außen trägt. Raus zu Euch, zu den Bürger*innen Europas, den Menschen der Welt. Wir alle haben es in der Hand, ob diese Veränderungen zu einer Gesellschaft mit gerechterer Teilhabe und einer Stärkung der Demokratie führen oder von zentraler Stelle zu unserer Unterdrückung und Manipulation missbraucht werden. In jedem Fall werden die entscheidenden Weichenstellungen jetzt - in unserer Generation - vorgenommen. Nur wenn sich genügend Menschen in die Debatte einbringen, gibt es eine Chance eine offene, partizipative Gesellschaft im digitalen Zeitalter umzusetzen.

15 Minuten sind keine Zeit sinngebendes zu formulieren!
von Christoph Nebel


Foto Gebhard Sengmüller

Lokale Gemeinschaften entwickeln über sehr lange Zeiträume vielfältigste Kulturen. Mit zunehmendem Wachstum solcher Gemeinschaften entstehen artifizielle Strukturen und damit Regeln unabhängig von langjähriger Erfahrung und Sinn (nach Niklas Luhmann -“Sinn ist laufendes Aktualisieren von Möglichkeiten”). Mit der Kommerzialisierung des Internets entstehen in immer kürzeren Zeitabständen neue technologische Möglichkeiten für die User:innen um Gemeinschaften zu bilden. Diese sind von den grossen Konzernen so konzipiert, dass ohne viel Zeitaufwand und Einarbeitung den User*innen schnellstmöglich das Gefühl einer Gruppenzugehörigkeit vermittelt wird. Anstelle einer Überschaubarkeit tritt eine suggestive Zugehörigkeit mit laufend aktualiserten Angeboten! Es ist wieder einmal an der Zeit sich kritisch mit frühen Modellen und Versuchen auseinanderzusetzen - jedoch! Die Zeit ist um!

Zurück in die Zukunft - Wissenschaftsnetze (RENs *) als Chance
von Christian Panigl

Als das Netz noch jung war wurde es zu einem großen Teil von Universitäten, Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen gestaltet, die sich im Laufe der 1990er Jahre zu gemeinsam finanzierten, regionalen und nationalen Wissenschaftsnetzen (NRENs *) zusammengeschlossen haben. Dachverbände wie z.B. RARE->TERENA->GÉANT (geant.org) in Europa bilden seither eine effiziente Koordinationsplattform und betreiben kontinentale Backbone-Netzwerkinfrastrukturen mit leistungsfähigen, transkontinentalen Verbindungen zu ihren internationalen Partnerorganisationen weltweit.

Die sich daraus ergebende globale Wissenschaftsnetzwerkinfrastruktur folgt gänzlich anderen Finanzierungs- und Gestaltungsregeln, als das kommerzielle Internet. Über viele Zusammenschlüsse (Peerings), z.B. an Internet Exchange Points (IXPs) wie dem Vienna Internet eXchange (VIX.at), wird allerdings sicher gestellt, dass “beide Welten” nahtlos miteinander kommunizieren können.

Könnten Wissenschaftsnetze (wieder) ein Nährboden für die Re-Demokratisierung des Internet sein? Welche Gefahren drohen jedoch durch Überregulierung und deren negative Auswirkung auf kooperative Ansätze und “Open Standards”?

*) (N)REN = (National) Research & Education Network

Informationen sind schnell – Wahrheit braucht Zeit.
von Rena Tangens

Meine Musik soll nicht mehr Bedeutung haben als die Wärme, das Licht oder die Möbel in einem Raum, sagte der französische Komponist Erik Satie (1866- 1925) sinngemäß über seine »Musique d’Ameublement«. Sie soll sich nicht in den Vordergrund drängen, die Menschen nicht faszinieren und passiv machen, sondern einen Rahmen und einen Zeit-Raum eröffnen, der ruhig und zugleich anregend ist. Rena Tangens und padeluun haben daraus „Art d’Ameublement“ gemacht und das Konzept in Netz- und Politikprojekte übersetzt: Die BIONIC-MailBox, die Gestaltung der Zerberus Server-Software, den Aufbau der Bürgernetze Z-Netz, CL und Zamir, Digitalcourage, BigBrotherAwards, Einsatz gegen Überwachungsgesetze und Netzmonopole. Die Gestaltung der Software bestimmt maßgeblich die Netzstrukturen und wie darin kommuniziert wird. Zerberus setzte auf »low tech« und »low cost«, erlaubte nicht-hierarchische, dezentrale Netzstrukturen, machte damit Zensur schwer bis unmöglich, schützte das Netz als sozialen Raum und baute schon Ende der 80er Jahre Verschlüsselung und Datenschutz mit ein.

Ein Rückblick in die Geschichte der Netze – mit Spaß an Geschichten, Teilen von Erfahrungen und der Einladung, die Erkenntnisse daraus für die Zukunft der freien und dezentralen Vernetzung, z.B. im Fediverse wirksam zu machen.

Metalab Wien
Geboren aus dem Chaos
offen, vernetzt, gleichberechtigt

von Herbert Waloschek


Das Wiener Metalab - 222m² Raum im Herzen Wiens für technologisch-kreative Projekte, Veranstaltungen, Software, Hardware, Essen & mehr…

Seit 2006 ermöglicht das Metalab Interaktion im realem Raum. Der Traum: eine offene Welt gleichberechtigter Individuen, Raum für technisch-kreative Zusammenarbeit, für freien Austausch von Information und Wissen, für Enthusiasten, Hacker, Gründer und digitale Kunst.
Was ist geblieben vom Traum für weltweite freie Kommunikation und Interaktion gleichberechtigter Individuen, wie hat sich die Welt, das Netz, seither entwickelt? Vom „Ende der Geschichte“*, aus einer Welt voll von Hoffnung und Zukunftsträumen in eine Existenzkrise für die Menschheit“**?
Wovon heute träumen?

*Francis Fukuyama
**faz.net/aktuell/wirtschaft/weltwirtschaftsforum-davos/die-welt-steuert-auf-eine-existenzkrise-zu-world-economic-forum

Gemeinsam in Echtzeit Musik produzieren
von Rebekah Wilson

Wenn wir gemeinsam in Echtzeit über das Internet Musik produzieren wollen, sind wir mit Performance Problemen konfrontiert: Latenz, akustisches Feedback, begrenzte Übertragungsqualität und digitale Artefakte – Einschränkungen, die besonders Künstler:innen betreffen, die traditionell auf die Nähe im physischen Raum angewiesen sind, indem es diese Einschränkungen nicht gibt. Diese Limitierungen können jedoch für neue kreative Strategien genutzt werden, die nicht nur die Unannehmlichkeiten von Latenz und akustischem Feedback berücksichtigen, sondern uns tatsächlich dazu inspirieren, das musikalische Erlebnis selbst anzupassen und zu transformieren.

Eine zufriedenstellende Adaption erfordert viel Zeit, Übung und vor allem die Bereitschaft, die anfängliche unangenehme Erfahrung hinter sich zu lassen und zu sehen, was passiert, wenn sich die Art und Weise des Zuhörens ändert. In diesem Vortrag geht es um die Erfahrungen von drei Musiker:innen, die tagelang über eine speziell entwickelte Netzwerk-Musikanwendung miteinander verbracht haben. Diese führte zu einigen schönen Liedern, viel Gelächter und gab einen Einblick, wie wir gemeinsam neue Gebiete erkunden können.

Ö1 KUNSTRADIO: Über das Radio hinaus
von Elisabeth Zimmermann

Das Ö1 Kunstradio ging im Dezember 1987 als wöchentlicher Schauplatz von Radiokunst on air, gegründet von der Journalistin Heidi Grundmann. Ganz selbstverständlich hatten Künstler:innen begonnen ihre Aktivitäten über die wöchentliche Sendung hinaus zu erweitern, in Form von Interventionen in das Programm anderer ORF Kanäle oder in der Aneignung der Infrastruktur und der Netzwerke zwischen Hörfunk und TV, sowie den regionalen ORF-Funkhäusern und schließlich auch zwischen den Stationen der Europäischen Rundfunk-Union (EBU) und ihrer Satelliten. In den immer häufiger internationalen Projekten spielte das World Wide Web eine zunehmend größere Rolle. Seit 1995 gibt es die von dem kanadischen Künstler Robert Adrian X gestaltete Website kunstradio.at, die bis heute als Ankündigungs- und Dokumentationsmedium dient sowie bei manchen Projekten einen der vernetzten („on air-on line-on site“) Schauplätze darstellt.

Künstler:innen erforschen das Medium Radio in seinen unterschiedlichen Ausprägungen (von Mittelwelle und Kurzwelle über FM und 5.1 Satellitenradio bis hin zu Webradio und Wireless Technologien) und machen es zum Gegenstand der künstlerischen Reflexion, zum Instrument und Kommunikationsraum.

Ein unkorrumpiertes Internet
von Klaudia Zotzmann-Koch

Als Tim Berners-Lee 1989 das WWW erfand, dachte er an gemeinsame Wissensmehrung, Zusammenarbeit und das Weiterkommen der Menschheit im Ganzen.

Knapp vierundzwanzig Jahre später könnte das Netz in seiner bunten Perversion seine Horrorvision sein: Überwachung jedes einzelnen Klicks zum Zwecke der Profitmaximierung von Unternehmen, Plattformzentrierung, gated communities, Vorratsdatenspeicherung, Auswertung und Weiterverkauf unserer Körperfunktionen zum Zwecke politischer Verfolgung.

Aber es geht auch anders, wie das Fediverse zeigt. Eine gelebte Zukunftsutopie in der Gegenwart, dezentral und von vielen kleinen Comunities getragen und weitgehend von Freiwilligen organisiert. Ob die Vision halten wird, wird seit Twitter’s Übernahme durch Billionär und Management-DAU Elon Musk auf die Probe gestellt. Hunderttausende strömen von Twitter ins Fediverse. Ist dies der Anfang eines neuen, gerechteren, gemeinwohl-orientierten Internetzeitalters?